„Standort Alpen – Europas Dachgarten in Bedrängnis – Gestern und Heute“

Berchtesgaden-Seminar vom 13. – 17. September 2021

Es ist Montag 17:00 Uhr. Eine Gruppe bildungshungriger Teilnehmer*innen klettert aus dem Bus, sie sind am Ziel. Mitten in Berchtesgaden liegt das Hotel Wittelsbach mit dem weiten Blick in den angrenzenden Nationalpark. Bis München rasten sie noch mit dem ICE durch die Landschaft. Danach wurde die Zeit immer langsamer. Nun hier in der Unterkunft schien die Zeit fast stehen geblieben zu sein. Erst vor wenigen Wochen kamen die Nachrichten von den verheerenden Starkregenfällen und den Überflutungen auch im Berchtesgadener Land in den Medien. Durch Hochwasser, Hangrutsche und unterspülte Gleisanlagen sind allein an der öffentlichen Infrastruktur fast 100 Millionen Euro Schaden entstanden; die privaten Verluste noch nicht mitgerechnet. Ein außergewöhnlicher Zeitpunkt, um vor Ort mehr über den Klimawandel in den Alpen zu erfahren.

Dank des Einsatzes vieler fleißiger Helfer*innen und Organisationen hatte dies wenig Einfluss auf unseren geplanten Ablauf. Nach erfolgreicher Anreise und Einquartierung im Hotel gab es eine Vorstellungsrunde aller Bildungsurlauber*innen und der Seminarleitung sowie einen ausführlichen Überblick über das, was die Gruppe diese Woche alles Spannendes erwartet. Im Anschluss wurden Teams gebildet und Arbeitsaufträge verteilt. Ziel war es, sich jeweils mit einem Thema, welches Bestandteil des Bildungsurlaubs war auseinanderzusetzen. Nach der Erarbeitung der Themen waren Präsentationen an den verschiedenen Tagen des Bildungsurlaubs geplant. Der erste Abend fand dann seinen Ausklang in einem original bayrischen Biergarten.

Um es vorweg zu nehmen – es war der absolut schönste Tag der Woche und das Ziel geradezu prädestiniert. Bei traumhaftem Wetter und exzellenter Fernsicht ging es in zwei Etappen mit der Gondel auf die 1.800 m hoch gelegene Bergstation des Jenners. Die letzten 74 m zum Gipfelkreuz wurden zu Fuß absolviert. Oben angekommen waren alle überwältigt von dem atemberaubenden Alpenpanorama und dem einzigartigen Naturschauspiel mit dem Blick auf den Königssee. – Unvorstellbar … – diese Natur soll bedroht sein? Während des mehrstündigen Abstieges referierten zwei Ranger*innen des Nationalparks Berchtesgaden über die Geschichte des Nationalparks sowie den Interessenkonflikt der Berglandwirtschaft mit ihren Almen, dem Tourismus und den rechtlichen Vorgaben des Naturschutzes. An verschiedenen Stopps zeigten die Ranger*innen die einzigartige Flora und Fauna der Alpenlandschaft auf – vom Bartgeier, über die Enzianwurzel bis zu den Gämsen – wurde alles erklärt und auch live gezeigt. Nach erfolgreicher Stärkung in einer Berggaststätte wurde der Tag im Plenum ausgewertet.

Tag drei begann mit einer Führung durch das Dokumentationszentrum Obersalzberg. Das Dokumentationszentrum ist eine ständige Ausstellung des Instituts für Zeitgeschichte im Auftrag des Freistaates Bayern. Hier werden auf außergewöhnliche Art und Weise der Aufstieg und die Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes dargestellt, vor allem die Zeit des Obersalzbergs als zweiten „Amtssitz“ Hitlers und die damit verbundene Propaganda wurde umfassend aufgearbeitet. Im Anschluss gab es eine besondere Führung durch einen Teil der alten Bunkeranlagen, welche sich unter dem Berghof und weiteren ehemaligen Gebäuden des Obersalzberg erstreckten. Immer tiefer drang die Gruppe in den Berg vor, bekam eine Vorstellung von den gigantischen Dimensionen des geplanten Ausbaus und alle waren froh als sie etwas beklommen wieder das Tageslicht erblickten. Nach der Führung im Dokumentationszentrum folgte eine geführte Wanderung über den Obersalzberg. Schwerpunkte waren hier die moderne Nutzung des Obersalzberg im „Zwei-Säulen-Konzept“. Die erste Säule beschreibt die heutige touristische Nutzung des Gebietes auf dem Obersalzberg; die zweite Säule ist die historische Aufarbeitung und Bildungsarbeit, welche das Dokumentationszentrum Obersalzberg leistet. Die Wanderung pausierte an einer historisch markanten Stelle, hierbei handelte es sich um den Standort von Hitlers Empfangs- und Arbeitszimmer. Hier wurde ein Großteil der Verbrechen der Nationalsozialisten geplant und beschlossen und an dieser Stelle teilten die Teilnehmer*innen die Erfahrungen des bisherigen Tages im Plenum. Nach den Erfahrungen des Obersalzberges war das nächste Ziel das Salzbergwerk Berchtesgaden. Hier war der Themenschwerpunkt der Wirtschaftssandort Berchtesgaden früher und heute. Das Salzbergwerk fördert bis heute Salzlake, welche in Bad Reichenhall zu Speisesalz verarbeitet wird. Mit der Bergwerksbahn ging es für die Gruppe in den Stollen des Schaubergwerks. Hier wurde die historische Bedeutung und Förderung des Salzabbaus für die Region sichtbar gemacht. Nach einer Fahrt über den unterirdischen Spiegelsee ging es wieder an die Oberfläche, wo der Bildungstag sein Ende fand.

Für den vierten Tag ging es auf eine Exkursion nach Salzburg in Österreich. Nach einer Fahrt mit den elektrischen Oberleitungsbussen in Salzburg kam die Gruppe im „EuropeDirect Informationszentrum Land Salzburg“ (EDIC) an. Hier war eine Live-Schaltung mit dem EU-Verbindungsbüro in Brüssel vorbereitet. Die Gruppe hatte im Vorfeld eigene Fragen mit EU-Bezug an die österreichischen Kolleg*innen vorbereitet. Themen waren der gemeinsame Umweltschutz der Alpenregion sowie die bilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Republik Österreich und die verschiedenen Aufgaben der EDICs. Nach dem interessanten Austausch stand eine Stadtführung durch Salzburg an. Die Führung startete am Salzburger Hauptbahnhof zog sich durch das Schloss Mirabell mit dem wunderschönen Mirabellgarten, über den Marko-Feingold-Steg, hin zur Salzburger Altstadt. Hier waren die Höhepunkte die Getreidegasse mit ihren historischen Handelsschildern und Mozarts Geburtshaus. Hauptthemen der Führung war die historische Entwicklung Salzburgs, welches auch ein eigenes Bundesland in der Republik Österreich ist. Weitere Aspekte waren die aktuelle Stadtentwicklung und die Wohnungssituation sowie Salzburgs Rolle im zweiten Weltkrieg. Die Stadtführung endete am Dom zu Salzburg. Danach konnten die Teilnehmer*innen Salzburg selbstständig erkunden. Am Abend nach der Rückkehr ins Hotel in Berchtesgaden wurde der bisherige Bildungsurlaub im Plenum evaluiert und die vergangenen Tage und Erfahrungen aufgearbeitet.

Der letzte Tag stand im Zeichen der Rückreise nach Frankfurt am Main. Was bleibt sind sicher die einmaligen Erinnerungen an die oft außergewöhnlichen Exkursionen, Begegnungen und der Spaß an der Sache. Wäre jemand privat nach Berchtesgaden gefahren, hätte er das alles nicht erlebt. Spannend, informativ, lebendig – und alles aus erster Hand.