Mit reichlich guter Laune und einem Koffer voller Erwartungen startete die dbb jugend hessen mit einer jungen und motivierten Gruppe aus den unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu ihrem Jahresabschlussseminar 2019 nach Dresden.

Und wir sollten nicht enttäuscht werden, denn neben dem Thema „Schauplatz Dresden – Zwischen Aufbruch und Erinnerung“ empfing uns die Elbmetropole schon gleich zu Beginn durch die vielen Weihnachtsmärkte mit ihrer ganz besonderen Stimmung. Bevor wir in diese allabendliche Atmosphäre eintauchten, standen tagsüber wichtige und spannende Gespräche, Exkursionen und Meetings auf dem Programm. Mit unterschiedlichsten Referenten, Organisationen und Fachstellen betrachteten wir in diesem Seminar die Entwicklungen vor und nach der Wende und machten eine Bestandsaufnahme des politischen und wirtschaftlichen Wiedervereinigungsprozess. Wie wir bei allen Exkursion merkten, ein sehr wichtiges Thema, das tief im politischen Lebensalltag der Bürger vorgedrungen ist und auch vor der Wahlurne nicht Halt macht.

Als 2017 der Blick nach der Bundestagswahl auf das Wahlergebnis in Sachsen fiel, ging ein lautes Raunen durch die Bundesrepublik. Mit über 27 Prozent der Wählerstimmen wurde die gerade in Sachsen mit rechtspopulistischen Parolen agierende AfD die stärkste Partei im Freistaat und überholte sogar die seit der Wiedervereinigung regierende CDU. Versucht man das Ergebnis zu deuten, gehört laut unserer Referenten die Erkenntnis dazu, dass die Situation in der damaligen DDR und besonders in Sachsen sehr stark der in den ostmitteleuropäischen Staaten ähnelt, die nach dem Ende des sozialistischen Wirtschafts- und Herrschaftsmodells vergleichbare Transformationsprozesse durchlaufen mussten. Weiter wurde uns immer wieder deutlich vermittelt, dass es vor allem die Umbrüche seit 1990 waren, die die mentale Lage der Gegenwart prägen, weniger die weiter zurückliegende Historie. Angesprochen wurden unter anderem der nahezu vollständige Elitenwechsel nach dem Ende der DDR, die Deindustrialisierung der ehemals bedeutenden industriellen Kerne und das Unbehagen über das zunehmende Abgehängtsein des ländlichen Raums.

Um noch fundierte Erkenntnisse zu diesem Thema und den damit verbundenen Folgen zu erfahren, trafen wir uns zu einem hochinteressanten Gespräch mit den verantwortlichen Referenten und Akteuren des Demokratischen Zentrums Sachsens (DZ). Es ist Teil des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ des Bundeministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander fördert. In der Arbeit vereint es alle staatlichen und nichtstaatlichen Akteure, die sich für die Stärkung der Demokratie und gegen extremistische und menschenfeindliche Bewegungen im Freistaat Sachsen engagieren, unter einem Dach. Anhand von sehr lebendigen Beispielen aus der Praxis wurde uns deutlich, welch vielfältiges Beratungsnetzwerk entstanden ist und wie aktiv die einzelnen Akteure in den Bereichen Prävention, Intervention und professionelle Beratung tätig sind.
Zum geschichtlichen Verständnis beigetragen hat sicher auch der eindrückliche Rundgang mit einem Zeitzeugen in dem ehemaligen Untersuchungsgefängnis der Bezirkszentrale der Staatssicherheit. Anhand ganz persönlicher Berichte erhielten wir in den einzelnen Besucherräumen ein sehr differenziertes Bild über die damaligen Haftbedingungen und Verhörmethoden, die die über 12.000 bis 1989 inhaftierten Bürger erlebten, weil sie gegenüber dem damaligen SED Regime kritisch eingestellt waren oder einen Fluchtversuch unternommen hatten. Die beeindruckenden Erzählungen ließen wir bei einem anschließenden Besuch auf dem Weihnachtmarkt Revue passieren.

Neben dem Vergangenen galt der gezielte Blick auch der Gegenwart und der Zukunft. Welche atemberaubende Entwicklung hat die Landeshauptstadt gemacht und mit wie viel Eigeninitiative, Identität und Stolz ist dieser Wiederaufbau im Herzen der Bürger verankert. Während unserer Exkursionen bekamen wir auf Schritt und Tritt viel über Tradition und Fortschritt zu spüren und entdeckten überall die Dynamik des Wandels nach der friedlichen Revolution von 1989.

Krönender Abschluss war der letzten Tag, als wir bei herrlichstem Wetter die restaurierte Grenzstadt Görlitz besuchten. Eine unübersehbare Vielzahl von Bauwerken aus den ganz unterschiedlichen Zeitepochen, deren Vielseitigkeit und Dichte deutschlandweit nur hier zu sehen ist. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Lausitzer Neiße als neue Grenze zwischen Deutschland und Polen festgelegt wurde, entstand aus den östlichen Görlitzer Stadtteilen das polnische Zgorzelec. Bei einem ausführlichen Stadtrundgang unter dem Thema „Eine Stadt – zwei Nationen“ konnten wir unsere ganz eigenen „Grenzerfahrungen“ machen. Wir erlebten, wie nah Europa liegt und wie der dynamische, grenzüberschreitende und völkerverständigende Prozess zwischen Deutschland und Polen bei aller Unterschiedlichkeit im Regionalen gelebt wird; ganz konkret und oft fernab von der großen Politik in Brüssel. Die drei Stunden vergingen wie im Fluge und wir hätten den spannenden Erzählungen noch weiter folgen können. Nach einer wohl verdienten Mittagspause hatten wir noch einen abschließenden Rundgang durch das neue errichtete Schlesische Museum. Ein faszinierendes Land mitten in Europa, mit bewegter Geschichte und vielfältiger Kultur im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien. Der Besuch war absolut lohnenswert, nicht nur durch seinen einzigartigen Bau und seiner Vielzahl von ganz besonderen Exponaten aus der tausend Jahre alten Kulturgeschichte, sondern erst recht, bei solch einem kompetenten pädagogischen Mitarbeiter.
Mit dem schon traditionellen Quizabend und den gewonnenen Preisen, die wir auch nach dem Seminar immer mit der Region in Verbindung bringen, wurden die fünf Tage abgerundet.

Was bleibt sind sicher die Erinnerungen an die oft außergewöhnlichen Exkursionen und Begegnungen. Aber auch den Spaß an der Sache, den wir in der Gruppe hatten, werde ich sicher nicht vergessen. In meinem beruflichen und privaten Lebensalltag kann ich nun den aktuellen, innerdeutschen Fragen und Entwicklungen viel adäquater begegnen. Wäre ich privat nach Dresden gefahren, hätte ich das alles, was ich in dieser Woche erlebt habe, nie erfahren. Spannend, lebendig und aus erster Hand von kompetenten Referenten und Zeitzeugen, die hier leben und so vieles selbst erlebt haben. Ganz zu schweigen von dem vorweihnachtlichen Glanz, der das Seminar immer in einem ganz besonderen Licht erstrahlen ließ.